Erschienen in der neue mahnruf 2022.
Donnerstag, 31. März 2022, an einem regnerischen Morgen in Eisenstadt: Im Saal 1 des Landesgerichtes wird der Fall des 78-jährigen Rudolf Prinesdomu an nur einem Prozesstag, der insgesamt mehr als zwölf Stunden in Anspruch nehmen wird, verhandelt. Angeklagt war Prinesdomu aufgrund mehrerer schwerwiegender Straftatbestände: nach dem Verbotsgesetz und wegen Wiederbetätigung (§3g VbtG), dem Suchmittelgesetz (§28b SMG), wegen Verhetzung (§283 Abs. 1 Z 1 StGB), nach dem Waffengesetz (§17 Abs. 1 Z 3-4 WaffG) sowie wegen der Vorbereitung eines Sprengmitteldelikts (§175 Abs. 1 StGB). Mitangeklagt war darüber hinaus auch Prinesdomus Sohn Timotheus M., der im Rahmen des Suchtmittelkomplexes als Mittäter geführt worden ist. Konkret ging es im SMG-Komplex um den Anbau von Cannabis in Form einer eigenen Plantage, um den Eigenbedarf (Prinesdomu nahm regelmäßig Cannabis zu sich, ebenso M.) als auch den Bedarf von Bekannten und Kameraden zu decken. Im Raum stand auch, dass Prinesdomu damit aktiv Profit erwirtschaften wollte – was jedoch nicht bewiesen werden konnte.Schon die Verlesung der Anklage machte deutlich, dass das bis zum Exzess bemühte Bild des Einzeltäters, der aus eigenen Stücken und ohne Hilfsnetzwerk agiert, erneut in Stellung gebracht wird: Prinesdomu sei zwar eindeutig neonazistisch, jedoch „lediglich“ ein vereinsamter Pensionist, ein sich auf den falschen Weg begeben habender Eigenbrötler, der abgeschottet mit seiner Frau in seinem Haus im Bezirk Eisenstadt-Umgebung lebt. Wieder einmal überführt die StA Rechtsextremismus in ein losgelöstes Vakuum, das abseits der Gesellschaft und ihrer Verfasstheit existieren und um jeden Preis nichts mit vorhandenen rechtsextremen Strukturen in Österreich zu tun haben soll. Dass das in keiner Weise der Fall gewesen war, zeigten jedoch die Zeug*innenaussagen, im Besonderen aber die Ermittlungen des burgenländischen LVT, die auf Prinesdomu überhaupt erst aufmerksam geworden waren, weil sie die Social-Media-Kanäle der „Identitären Bewegung“ (IB) und deren Tarnorganisationen beobachteten.
Die biografische Geschichte des Angeklagten, die die StA nur sehr bedingt aufgearbeitet hatte, birgt dabei zahllose Beweise wie Indizien, dass Prinesdomu alles andere als schlecht vernetzt gewesen ist in der rechtsextremen Szene Österreichs. Einigermaßen rekonstruiert werden kann der Lebensweg des Angeklagten ab dem Jahr 2007, wo er als FPÖ-Ortsparteichef fungierte. Damals fiel Prinesdomu erstmals medial auf, weil er wegen Besitzes und Weitergabe von Kinderpornografie sowie wegen Besitzes einer illegalen halbautomatischen Waffe angeklagt und verurteilt worden war (die Strafe war juristisch irrelevant, da schon verjährt). Danach – Zeitraum unbekannt – tauchte Prinesdomu als Kassier bei der neonazistischen „Nationalen Volkspartei“ (NVP) auf: Kontakt hatte er v. a. zum oberösterreichischen Neonazi und NVP-Vorstandsmitglied Stefan Schmalnauer, der bis April 2011 als Bundeskassier bei der NVP tätig gewesen war. Stefan Schmalnauer (momentan in Haft in der JV Wels) war jedoch nicht der einzige NVP-Angehörige, zu dem der Angeklagte regelmäßigen Kontakt pflegte. Die mehrwöchige Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) der beiden Angeklagten durch das LKA und LVT ergaben darüber hinaus intensiveren Kontakt zum langjährigen NVP- und JNVP-Aktivisten Mario Aulabauer, der erst November 2020 erneut zu einer vierjährigen Haftstrafe wegen Wiederbetätigung verurteilt worden ist, die er immer noch nicht angetreten zu haben scheint. Diesen hatte der Angeklagte auch privat in Wr. Neustadt besucht, wo – laut Aussage von M. – Mario Aulabauer ihm u. a. Cannabis abgenommen haben soll, zum Teil auch in größeren Mengen (unbewiesen).
Wird das Social Web von Prinesdomu näher beleuchtet, das dieser sowohl für Recherchen als auch rechtsextreme, verhetzende Propaganda oftmals und intensiv nutzte, findet sich auch Interaktion mit dem ebenso im NVP-Vorstand aktiven Wolfgang B. (in den Freund*innenlisten des Profils finden sich mehrfach NVP-Kader). B. ist seit Jahrzehnten in neonazistischen und rechtsterroristischen Kreisen aktiv: Schon 1968 war er an der „4. Phase“ des sogenannten „Südtirol-Terrorismus“ beteiligt und hatte direkten Kontakt zu Georg Klotz, einem Führungsmitglied des „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS). B. hatte 1968 mit zwei (unterschiedlichen) Mittätern versucht, eine Telefonleitung sowie Oberleitungen der Bahn in Südtirol zu sprengen – nach der Verurteilung von B. zu einem Jahr „schwerem Kerker“, führte B. sein rechtsextremes Treiben ungehindert weiter. Dass Verbindungen nach Südtirol bestanden haben, bestätigte Prinesdomu auch selbst: Er hatte laut seiner Aussage Kontakt zu dort ehemals aktiven „Freiheitskämpfern“, hatte von diesen auch Devotionalien und weitere Objekte (nicht näher ausgeführt) übernommen.
Im Kontext der NVP ist auch die Zeit, die der Angeklagte in Ungarn verbracht hat, von besonderer Bedeutung. Weder die StA, das LVT, noch der Angeklagte selbst konnten angeben, in welchem exakten Zeitraum respektive wie lange Prinesdomu dort tatsächlich gelebt hat. Prinesdomu selbst machte konfuse Aussagen, entzog sich jeder Konkretisierung und mimte den vergesslichen Pensionisten. Dass Prinesdomu ein gekonntes performatives Spiel inszenierte, wurde spätestens nach der ersten Unterbrechung des Prozesses deutlich: Abseits der Geschworenen, StA und Richterin scherzte er mit seiner Rechtsanwältin, verhielt sich locker und teils jovial – kaum auf der Anklagebank, wurde ein gebrechlicher Pensionist offenbar, der in Tränen ausbrach, als er an seinen Vater, der im 2. Weltkrieg fiel, dachte und sich am Tisch entlang in den Zeug*innenstand hievte. Dennoch erzählte Prinesdomu schlussendlich, dass er in Ungarn mit zehn weiteren deutschsprachigen Personen kommunal gelebt hätte. Der Zeitraum, den Prinesdomu dann dennoch auf Nachfrage der StA als Schätzung preisgab, belief sich auf 2017 bis 2019, danach kehrte er zurück nach Österreich. In weiteren Kontext gesetzt: 2017 war auch der greise Neonazi Gerd Honsik nach Sopron gezogen, Horst Mahler taucht dort etwa zur gleichen Zeit auf. Der Angeklagte selbst bezeichnete während seiner Aussage zumindest einen seiner Nachbar*innen in Ungarn als „richtigen Rechtsextremen“. Dieser Nachbar betrieb laut Aussage von Prinesdomu auch eine kleine „Serverfarm“, mit der er „seine Ideologien“ [Anm.: gemeint die des Nachbarn] verbreitete. Die NVP wiederum zeichnete sich v. a. auch dadurch aus, dass sie vehement gegen das Verbotsgesetz agitierte und eine Solidaritätskampagne für Gerd Honsik lancierte – Prinesdomu teilte darüber hinaus auch des Öfteren Reime, Verse und Sprüche auf seinem Facebook-Profil, die er von Honsiks ehemaliger Website „radio-honsik.info“ (man beachte die strukturelle Analogie zur „alpen-donau.info“-Domain) kopierte.
Wieder in Österreich angekommen, orientierte sich Prinesdomu – die NVP hatte ihre Bedeutung ja schon Anfang der 2010er-Jahre rapide eingebüßt, Honsik war verstorben, Gottfried Küssel noch in Haft – neu: Schnell knüpfte er Kontakte zur Identitären Bewegung, vor allem zum steirischen Projekt „Kulturfestung“. Obmann des „Kulturvereins Kreidfeuer“, der die „Kulturfestung“ legalistisch betreibt, ist der langjährige IB-Aktivist Erik Freischütz Dieser war mindestens drei Mal bei Prinesdomu zu Hause, einmal hatte er nachweislich (entging mittels Diversion einer Verurteilung) die abgesägte Pumpgun, die Prinesdomu illegal nebst anderen Waffen besaß, in der Hand. F., der auch als Zeuge im Prozess geladen war, spielte ebenso – wenn auch wesentlich weniger glaubwürdig – den Unwissenden: Er könne sich an Nichts mehr erinnern, weder wie oft er den Angeklagten bei diesem zu Hause besucht, noch ob er die Waffe tatsächlich in der Hand gehalten hatte. Durch die bei der Hausdurchsuchung sichergestellten Materialien und die TKÜ ist jedoch klar: Es bestand enger privater und politischer Kontakt zwischen dem Angeklagten und Freischütz; aber auch zwischen dem Angeklagten und Harald Peter Wiedner, ebenso ein langjähriger Kader der IB Steiermark (und gleichermaßen in der „Kulturfestung“ aktiv). Des Weiteren belegten die TKÜ und Aussagen von M. auch, dass Prinesdomu mit seiner Frau mehrmals zu Veranstaltungen der Kulturfestung reiste, um dort u.a. „die alten Lieder“ zu singen; darüber hinaus war Prinesdomu laut StA auch bei Kundgebungen und Demonstrationen der IB mitanwesend.
Doch Prinesdomu ging es um mehr, als den teils stark von Symbolaktionen abhängigen Rechtsextremismus der IB: Neben den Waffen und Materialien zum Rohrbombenbau fanden sich zahllose NS-Devotionalien, ein digitaler Ordner mit 1.038 Hitler-Bildern und -Videos, sowie gerahmte Portraits der Rechtsterrorist*innen Franz Fuchs, Beate Zschäpe und Anders Breivik. Darüber hinaus fanden Ermittler*innen eine minutiös zusammengestellte manifestartige Ordnerstruktur: „Nationale Wehrkraft“ lautete der Titel. Dieses sei als eine Art Handbuch „für den rechten Aktivisten“ konzipiert: In der Einleitung appellierte er an die „viribus unitis“ der Rechten und warnte Nachahmer*innen vor Risiken; im Hauptteil fanden sich dann Anleitungen zum sicheren Arbeiten an Terrorakten und Anschlägen, Vorsichtsmaßnahmen gegenüber staatlicher Überwachung, Anleitungen zur sauberen Durchführung von Bombendrohungen, zur Rohrbomben- und Handgranatenherstellung, Herstellung von Zündern und Sprengstoff, Erzeugung simpler biologischer Kampfstoffe, Manipulation von Alltagsgegenständen, um Personen zu schaden oder zu ermorden. Das LVT kam in den Ermittlungen zum Schluss, dass der dringende Verdacht bestehe, dass es sich hierbei um ein ideologisches Analogon zur „Bajuwarischen Befreiungsarmee“ (BBA) im Fall Franz Fuchs handle – also einen Überbau für neonazistischen Terror. Dass der Angeklagte Prinesdomu nicht nur hypothetisch über neonazistischen Terror sinniert hat, zeigte sich anhand einer von ihm im nämlichen Ort in Ungarn durchgeführten Probesprengung: Der Tötungsradius der Rohrbombe – gefertigt nach den Anleitungen, die in der „Nationalen Wehrkraft“ abgebildet waren – beträgt laut Gutachten eines*r Sachverständigen 15 Meter. Obgleich Prinesdomu zweifelsfrei zur Tat schreiten wollte, müssen die Behauptungen, er habe einen konkreten Anschlag in Wien geplant, zumindest aus der Kenntnis des Prozesses zurückgewiesen und als falsche Effekthascherei kritisiert werden. Doch dies macht Prinesdomu nicht weniger gefährlich – gerade seine multiplen Vernetzungen beweisen, wie verwoben rechtsextreme Netzwerke in Österreich sind und wie klandestin sie oftmals in den ländlichen Gebieten agieren.